Pressekonferenz von der Staatspraesident nach den feierlichkeiten zum 50. jahrestag der Unterzeichnung der Roemischen Vertraege -auszuege -

Pressekonferenz von Staatspraesident Jacques CHIRAC nach den feierlichkeiten zum 50. jahrestag der Unterzeichnung der Roemischen Vertraege -auszuege -

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Berlin, 25. Maerz 2007


Ich freue mich sehr, zur Feier des 50. Jahrestags der Unterzeichnung der Römischen Verträge in Berlin zu sein. Ich möchte Deutschland, Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal sehr herzlich beglückwünschen zu der so bemerkenswerten Organisation dieses großen Ereignisses, das geprägt ist von einer Rede der Bundeskanzlerin, in der die deutschen wie auch die französischen Überlegungen zu Europa zum Ausdruck kommen.

Berlin ist in zweifacher Hinsicht symbolhaft: Es ist natürlich das Symbol der deutsch-französischen Aussöhnung, die wir im Wesentlichen der Vision zweier großer Männer zu verdanken haben, nämlich Kanzler Adenauer und General de Gaulle. Sie ist in gewisser Weise der Drehpunkt des europäischen Aufbauwerks. Denn ohne diese unverzichtbare deutsch-französische Einigung ist kein dynamischer europäischer Aufbau möglich. Das haben wir immer beobachtet. Sonst ist es schwierig.

Berlin ist auch das Symbol für die Vereinigung Deutschlands und die Vereinigung Europas. Das erklärt übrigens, warum es so ganz besonders passend war, diese Veranstaltung, diese Gedenkfeier hier in Berlin zu organisieren. Berlin ist eine Stadt, die stolz sein kann auf ihren Erfolg und auf das, was sie verkörpert. Sie ist das Symbol für die Rückkehr der Länder Mittel- und Osteuropas vom Eisernen Vorhang hin zum demokratischen Übergang und zum Erfolg der europäischen Demokratie.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und einen großen Franzosen und Europäer würdigen, der gestern und heute früh hier war: Maurice Faure. Er ist der letzte noch lebende Verhandlungspartner und Unterzeichner der Römischen Verträge. Er ist zusammen mit Robert Schuman und Jean Monnet einer derjenigen, die das europäische Engagement Frankreichs angestoßen haben.

Vor 50 Jahren bezeichneten die Römischen Verträge einen entscheidenden Bruch mit einer Vergangenheit, in der Krieg und Unterdrückung an der Tagesordnung waren; sie bezeichneten den Sieg der Menschlichkeit über die Barbarei, den Beginn eines der Hauptwerke in der Geschichte unseres Kontinents. Und wir können sehr stolz darauf sein, wie Angela Merkel heute früh zu Recht gesagt hat, das Ideal eines versöhnten und vereinigten Europa in die Wirklichkeit umgesetzt zu haben, das auf dem gesamten Territorium den Frieden, die Demokratie, die Menschenrechte und den sozialen Fortschritt verankert hat und Europa zu einer Macht des Friedens, der Stabilität und des Fortschritts in der Welt von heute macht. Das ist ein großer Erfolg.

Fünfzig Jahre, eine kurze Zeit. Das war tatsächlich erst gestern. Und das europäische Abenteuer fängt erst an. Sein Fortgang ist von vitalem Interesse. Vital, damit angesichts des stets möglichen Wiederaufflammens des Nationalismus, des Rassismus, des Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit der Friede und die Demokratie garantiert werden. Vital, damit die Herausforderungen unseres Jahrhunderts angenommen werden: die ökologische Herausforderung, und hier hat Europa soeben ganz eindeutig seine Führungsrolle in der Welt im Kampf gegen den Klimawandel bekräftigt; die wirtschaftliche, wissenschaftliche, industrielle Herausforderung, damit wir die Avantgarde des Forschritts bleiben, damit wir eine große Wirtschaftsmacht bleiben. Die Konsequenz aus dieser Herausforderung ist die soziale Herausforderung, also der Erhalt unseres europäischen Sozialmodells als Garant unseres Zusammenhalts. Die Herausforderung durch die Solidarität mit Afrika, die lebenswichtig für die Zukunft und sowohl moralisch als auch politisch gerechtfertigt ist und beständig durch Maßnahmen gegen die Armut verstärkt werden muss. Es ist ebenso, wobei die beiden zusammengehören, die Kontrolle über die Migrationsströme, die im Wesentlichen auf die Armut zurückzuführen sind. Außerdem die Sicherheitsherausforderung angesichts des Terrorismus und des organisierten Verbrechens. Die Herausforderung durch den Dialog der Kulturen angesichts einer Art Zusammenprall der Zivilisationen, den manch einer herbeireden möchte. Die Herausforderung durch die multipolare Welt schließlich, in der Europa jetzt den ihm gebührenden Platz einnehmen muss. Die Entwicklung der Welt lässt uns von einer Zeit des unipolaren Europa in ein multipolares Europa überwechseln. Um diese Herausforderungen anzunehmen, brauchen wir ein mächtiges Europa, ein durch seine Vielfalt und seinen sozialen Zusammenhalt gestärktes Europa, das der Innovation zugewandt ist und ohne Komplexe seine politische Bestimmung wahrnimmt.

Alle französischen Regierungen – das möchte ich herausstellen, denn ich höre manchmal kritische und kurzsichtige Bemerkungen –, alle französischen Regierungen seit 50 Jahren haben Wert darauf gelegt, ihren Beitrag dazu zu leisten, und zwar in einer Kontinuität, die erwähnenswert ist.

Ich für mein Teil habe darauf geachtet, dass Frankreich immer Vorschläge für Europa unterbreitet und Fortschritte für Europa fördert. In den letzten zwölf Jahren gab es beachtliche Fortschritte. Den Euro zum Beispiel. Frankreich hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt, dass wir den Euro einführen konnten. Die Wiedervereinigung des Kontinents, also die jeweiligen Erweiterungen, die Frankreich stets befürwortet hat und für die es sich ausgesprochen hat. Das Europa der Verteidigung, das zu Beginn einen Misserfolg einstecken musste und dann aber, auf französische Initiative hin, oder genauer gesagt französisch-britische, in Saint-Malo 1997 wieder in Gang gebracht wurde. Dadurch konnte das Europa der Verteidigung auf eine den modernen Ansprüchen angepasste Weise wieder angestoßen werden. Diese Anstrengungen müssen durch viele andere Maßnahmen fortgeführt werden. Die Freizügigkeit und die verstärkte Sicherheit. Die Fortschritte Europas in der Ökologie wurden vor allem beim letzten Europäischen Rat offensichtlich. Fortschritte, an denen Frankreich nicht ganz unbeteiligt ist, wie Sie wissen. Wir haben lange dafür gekämpft. Nichts von alledem wäre möglich gewesen, wenn es nicht eine grundlegende Einigkeit zwischen Frankreich und Deutschland gegeben hätte.

Wir haben die institutionelle Reform noch nicht zu Ende bringen können. Aber die Grundlagen dafür sind solide. Ich denke, die Lösung dafür wird ganz natürlich gefunden werden, ausgehend von den Überlegungen der deutschen Präsidentschaft, die dann Ende 2008 von der französischen Präsidentschaft zum Abschluss gebracht werden. Ich mache mir also keine Sorgen. Im Übrigen teile ich voll und ganz – wir haben oft darüber gesprochen – die Analyse von Angela Merkel von heute Morgen.

Die Erklärung, die wir heute Morgen verabschiedet haben, übermittelt den europäischen Bürgern eine Botschaft des Vertrauens und der Hoffnung. Die Botschaft ist notwendig und gerechtfertigt. Wenn man sich anschaut, was alles erfolgt ist und wo wir stehen, dann kann man davon ausgehen, dass diese Botschaft der Hoffnung gerechtfertigt ist.

Diese Erklärung lädt uns dazu ein, daran zu denken, dass all das, was uns zusammenführt, in jeder Hinsicht viel bedeutender ist als das, was uns trennt; zu verstehen, dass wenn wir die Herausforderungen des Jahrhunderts annehmen wollen, wir ein starkes Europa brauchen, ein Europa, das gestärkt ist durch seine Werte, seine Vielfalt, sein Sozialmodell; ein Europa, das seine Verantwortung in der Welt von heute voll und ganz übernimmt. Deshalb habe ich diese Veranstaltung so geschätzt, die so sehr passend hier in Berlin stattfand und die in dieser Hinsicht, wie gesagt, zweifach symbolisch war. Und die noch dazu in so schönem Sonnenschein, einem so wunderbaren Wetter, stattfindet, was ein positives Zeichen für die Zukunft ist. Das Wetter war mit uns!

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Es ist immer bewegend, wenn man geehrt wird, besonders wenn es herzlich und mitfühlend geschieht, was für die Worte der Bundeskanzlerin gilt, die sie nach unserem gemeinsamen Essen gefunden hat und die übrigens vom relativ langen Applaus aller unserer Kollegen bekräftigt wurden.

Die Bundeskanzlerin hat sehr freundliche Worte gefunden, die ich nicht wiederholen werde. Ihre persönlichen und politischen Worte heute früh waren stark geprägt von dem ganz offensichtlichen, schon lange bestehenden Bewusstsein, dass die deutsch-französische Einigkeit notwendig ist, wenn man vorankommen will. Europa ist zu weiten Teilen auf einer deutsch-französischen Einigkeit begründet. Ich sage nicht, dass die deutsch-französischen Interessen den anderen aufgedrängt werden sollen, das meine ich überhaupt nicht. Ich will einfach sagen, dass die Dinge sich mehr oder weniger gut entwickeln, wenn eine deutsch-französische Einigkeit besteht, dass aber, wenn es keine deutsch-französische Einigung gibt, Europa blockiert ist. Darüber muss Klarheit herrschen. Das typische Merkmal des deutsch-französischen Paars, da kann man sagen, was man will, hat sich immer als eine wesentliche Notwendigkeit in der Entwicklung Europas durchgesetzt, ganz gleich, wer an der Spitze der Regierungen in Frankreich und in Deutschland stand.

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Die Bundeskanzlerin hat mir in der Tat ein Geschenk gemacht. Die Bundeskanzlerin weiß, dass ich Biertrinker bin, das ist ihr nicht entgangen. Und das hat nichts zu tun mit einer Missbilligung der Weinproduzenten, das ist ja wohl jedem klar. Sie hat mir also einen wundervollen Bierkrug geschenkt, aber nicht irgendeinen: Es ist ein ganz bemerkenswerter Bierkrug aus dem Jahr 1710, mit einem ganz besonderen Deckel von 1719. Ein sehr schönes Stück. Es hat mir eine ganz besondere Freude bereitet. Ich freue mich sehr darüber.

Sie fragen, ob ich schweren Herzens gehe. Nun, in dieser Hinsicht jedenfalls habe ich kein angeschlagenes Herz. Die Dinge sind wie sie sind. Ich hatte ja beschlossen, dass dies in der Tat mein letzter Rat ist. Und ich freue mich sehr, meine Kollegen ein letztes Mal zu sehen, ganz offiziell als Ratsmitglied. Sie haben mich herzlich begrüßt und mir zum Abschied freundschaftlich die Hand geschüttelt. Ich werde das in guter Erinnerung behalten. Ich habe hier einen angenehmen Aufenthalt verbracht, vor allem dank der Organisation von Frau Merkel.

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Ich habe zu allen deutschen Politikern vertrauensvolle und freundschaftliche Beziehungen unterhalten, zu Helmut Kohl, Bundeskanzler Schröder und heute zu Frau Merkel. So gut, dass alle meine Begegnungen mit den deutschen Bundeskanzlern, ganz gleich wer, für mich immer privilegierte Augenblicke waren. Weil dies Momente sind, in denen sich zwei Politiker zwanglos austauschen können. Mit dem deutschen Bundeskanzler, oder der Kanzlerin, hatte ich immer das Gefühl, dass ich sagen kann, was ich denke, ohne Umschweife, ohne Probleme, ohne jemanden zu verletzen oder Schwierigkeiten zu provozieren. Das ist ganz entscheidend, und es ist sehr selten. Ich hatte dieses Gefühl nur mit den jeweiligen deutschen Bundeskanzlern. Deshalb war jedes meiner Treffen mit ihnen ein privilegierter Augenblick, ein Moment, in dem die Politik auf ganz natürliche Weise Ausdruck findet, in dem man seine Befürchtungen, seine Sorgen, seine Probleme besprechen kann; auch welchen Schwierigkeiten man auf nationaler Ebene begegnet, ohne dass dies ausgenutzt wird oder Folgen hat. In diesem Sinne habe ich immer mit Frau Merkel gesprochen, aber auch mit Gerhard Schröder. Weniger mit Helmut Kohl, den ich nicht so gut kannte, aber letztlich doch gut kannte, als ich Premierminister war und er selbst Bundeskanzler.

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Zu den britischen Soldaten muss ich Ihnen nicht sagen, dass wir alle solidarisch sind und wir haben Großbritannien unsere volle Solidarität bestätigt, das ist selbstverständlich. Also muss ich das nicht kommentieren. Umso mehr, als die Soldaten zu dem Zeitpunkt nicht in iranischem Gebiet waren.

Was den Mittleren Osten angeht, so macht uns die Lage nach wie vor Sorgen. Wichtig ist jetzt, dass wieder Vertrauen zwischen den Parteien, zwischen Palästinensern und Israelis hergestellt wird, das ist wesentlich. Es hat dieses Vertrauen gegeben und aus Gründen, die erklärbar sind, hat es Schaden genommen. Jetzt muss es wieder hergestellt werden. Das ist eine langwierige Angelegenheit, die viel Bemühen und viel Gefühl erfordert. Ich habe heute dem Dirigenten Daniel Barenboim die Auszeichnung eines Kommandeurs der Ehrenlegion überreicht. Ich habe dabei besonders herausgestellt, dass er ein Kämpfer für den Frieden ist. Dass er eine Organisation ins Leben gerufen hat, die sich „West Eastern Divan" nennt und in der palästinensische und israelische Musiker zusammen auftreten. Das ist eine Möglichkeit des Kontakts. Ich glaube, es muss mehr solcher Initiativen geben, wenn man wieder Vertrauen fassen will, damit Palästinenser und Israelis wieder miteinander reden. Im Moment ist das nicht so.

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Der internationale Gerichtshof und seine dringende Einrichtung nach dem Gipfel von Riad scheint mir eine absolute Notwendigkeit. Denn es ist normal, dass die Mörder von Rafik Hariri und der 15 darauf folgenden Morde angeklagt und verurteilt werden. Aus Gründen der Gerechtigkeit aber auch aus Gründen der Abschreckung. (...) Ich hatte oft Gelegenheit, diesen Punkt anzusprechen, sowohl mit arabischen Politikern wie auch mit europäischen, russischen oder chinesischen. (...)

Der letzte Brammertz-Bericht zeigt, dass er der Ansicht ist, die Ursachen für diese Taten sind politischer Art. Folglich muss das sein. Es ist wünschenswert, dass die libanesische Regierung – es gibt in Libanon eine legitime Regierung, die unstrittig ist – selbst die erforderlichen Initiativen unternimmt. Dass sie also die Modalitäten für die Einrichtung des Gerichts festlegt. (...)

Wir wünschen uns, dass wir eine augewogene Lösung für Iran finden. Es gibt eine zwingende Voraussetzung, dass nämlich Iran das Vorgehen einstellt, dessen er beschuldigt wird. Sie wissen, dass Frankreich einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet hat, nämlich Gespräche über eine Unterbrechung des bestreitbaren und umstrittenen Vorgehens Irans auf der einen Seite und den Rückgriff auf den Sicherheitsrat auf der anderen.

Iran hat es nicht für nötig gehalten, das akzeptieren zu müssen. In einer ersten Zeit hat die Völkergemeinschaft sich einstimmig für Sanktionen persönlicher oder wirtschaftlicher Art ausgesprochen. In einer zweiten Phase, da es keine Antwort von Seiten Irans gab, hat der Sicherheitsrat gestern nochmals verstärkte Sanktionen beschlossen. Ich gestatte mir, noch einmal darauf hinzuweisen, dass dies einstimmig geschah. Vor wenigen Tagen dachte man noch, einige würden sich diesem Resolutionsentwurf widersetzen. Ich glaube, Iran wäre gut beraten gewesen zu begreifen, dass der französische Vorschlag im Grunde Vorteile hatte, nämlich das strittige Vorgehen zu unterbrechen, die Befassung des Sicherheitsrats abzuwenden, miteinander zu reden, danach wäre jeder frei gewesen, entsprechend dem Ergebnis dieser Gespräche die Haltung einzunehmen, die er will.

(...).





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