Neujahrsansprache von der Staatspraesident

Neujahrsansprache von Staatspraesident Jacques CHIRAC

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Paris, 31. Dezember 2006


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger in Frankreich, in Übersee und im Ausland,

zum Beginn des Jahres 2007, das für die Zukunft unseres Landes besonders wichtig ist, übermittle ich jeder und jedem Einzelnen von Ihnen aus tiefstem Herzen alle guten Wünsche.

Meine Gedanken sind vor allem bei all denen, die einsam, krank oder in Not sind.

Voller Respekt und Dankbarkeit grüße ich auch unsere Soldaten, die überall in der Welt den Frieden und die Werte Frankreichs verteidigen.

Seit ich die Ehre habe, Ihnen zu dienen und Sie zu vertreten, erleben wir gemeinsam beträchtliche Veränderungen.

Eine expandierende Weltwirtschaft. Einen zunehmend lebhaften Wettbewerb, der uns aber auch neue Möglichkeiten öffnet. Die Internet-Revolution, die unsere Art, zu kommunizieren, zu arbeiten und in der Gesellschaft zu leben, verändert. Eine Welt, in der der Raubbau der natürlichen Ressourcen das Klima durcheinander und die Menschheit in Gefahr bringt, wenn wir nicht sofort reagieren. Eine Welt, die noch nie so reich und zugleich so arm war. Eine Welt geprägt vom 11. September, vom Terrorismus, vom Krieg in Irak, von der Krise in Nahost, von der absurden und unverantwortlichen Versuchung durch das Aufeinanderprallen der Zivilisationen und Kulturen.

Weil meine leidenschaftliche Liebe Frankreich gilt, setze ich alles daran, dass unser Land den ihm gebührenden Platz in dieser neuen Welt einnimmt und sich dabei selbst treu bleibt. Ich setze alles daran, dass jeder Franzose und besonders jeder Jugendliche seine Chance erhält, ganz gleich wo er lebt und woher er kommt.

Natürlich möchte ich, dass die Dinge schneller und für Sie alle besser vorankommen. Dank Ihrer Talente und Ihrer Arbeit behauptet sich Frankreich. Infolge des entschlossenen Vorgehens des Premierministers und seiner Regierung geht die Arbeitslosigkeit deutlich zurück: Es sind bereits 360.000 Arbeitslose weniger. Das Wachstum ist da und es ist solide. Unsere Renten und unsere Sozialversicherung werden reformiert, das sichert ihre Zukunft. Die Anzahl neuer Sozialwohnungen hat sich seit 2002 jedes Jahr verdoppelt. Unsere Aufmerksamkeit und unser Verhalten gegenüber behinderten Menschen, Krebspatienten und Verkehrsopfern entwickelt sich zum Positiven. Dank Ihres Einsatzes konnten fast 9.000 Menschenleben auf den Straßen Frankreichs gerettet werden.

Bis zu den Wahlen vertrete ich einen doppelten Anspruch: dass die Regierung ihre Arbeit in Ihren Diensten fortsetzt, für die Sicherheit, für die Beschäftigung, für die Kaufkraft; und dass diese Monate auch die Zeit für offene, demokratische und verantwortungsvolle Debatten sind, in die ich mich im Übrigen voll und ganz einbringen werde. Ich will Ihnen heute Abend sagen, welche Themen in meinen Augen die wichtigsten sind.

Als erstes die Einheit; dass wir uns um die Werte herum versammeln, die Frankreich ausmachen: Freiheit, Humanismus, Achtung, besonders Achtung der Vielfalt und der Unterschiede, Laizität, Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus, Gemeinschaftszugehörigkeit. Hören Sie nicht auf die Zauberlehrlinge des Extremismus. Frankreich ist stark, Frankreich ist schön, wenn es imstande ist, für die Einhaltung seiner Regeln zu sorgen und zugleich die Hand zu reichen.

Zweitens der wirtschaftliche und soziale Fortschritt. Ich weiß, mit welchen Schwierigkeiten manch einer von Ihnen konfrontiert ist. Ich kenne Ihre Erwartungen in Bezug auf die Einkommen und die Kaufkraft, also den gerechten Gegenwert für Ihre Arbeit. Aber hüten Sie sich dennoch vor Ideologien und Illusionen, vor einer Rückkehr zu Rezepten, die nicht helfen. Arbeit, Bildung und Forschung sind die Stärken der modernen Volkswirtschaften. Vor uns liegen, wobei dem sozialen Dialog der ihm gebührende Platz eingeräumt wird, wichtige Reformen: um die Arbeitslosigkeit weiter zu vermindern, um die Teilhabe zu einem echten Gesellschaftsprojekt zu machen, um unseren Unternehmen mehr Macht zu verleihen, um ein tatsächliches Recht auf Wohnung einzuführen, das gegenüber Dritten wirksam ist, das also Realität wird. Ich appelliere an die Regierung, dass dieser Punkt in den allernächsten Wochen vorangetrieben wird.

Und drittens müssen wir erkennen, dass Frankreich eine besondere Verantwortung in der Welt hat. Es ist Frankreichs Bestimmung und seine Ehre, dass es seine Stimme mit Nachdruck und in Unabhängigkeit für Frieden und Gerechtigkeit zu Gehör bringt. Das liegt auch in seinem Interesse. So entspricht unser Handeln im Sinne der Entwicklung der ärmsten Länder natürlich einem grundlegenden moralischen Anspruch. Aber damit vermeiden wir auch, dass all diejenigen an unsere Grenzen strömen, die ihr Land verlassen, weil sie keine Hoffnung mehr haben.

Viertens Europa. Seit eineinhalb Jahren wirken wir darauf hin, das Europa der Projekte voranzubringen: Forschung, Energie, Sicherheit, Einwanderung. Vergessen wir nie, dass Europa die Garantie für Frieden und Demokratie auf unserem Kontinent ist. Es ist unsere Zukunft. Der 50. Jahrestag der Römischen Verträge am 25. März bietet uns die Gelegenheit, dem europäischen Aufbauwerk einen neuen Schwung zu verleihen: für ein politisches Europa, für ein Europa des wirtschaftlichen Strebens und des sozialen Fortschritts, für ein Europa, das uns schützt. Frankreich wird dazu natürlich sein Teil beisteuern.

Und nicht zuletzt die Ökologie. Sie ist eine unmittelbare Herausforderung. Eine politische Herausforderung. Frankreich ist das erste Land der Welt, das 2005 eine Umweltcharta in seine Verfassung aufgenommen hat. Im Februar findet in Frankreich eine internationale Konferenz statt, um den Weg zu einer UN-Umweltorganisation zu beschleunigen. Bei uns geht es darum, dass wir diesen Kampf gewinnen, indem wir unser Verhalten und unsere Politik tiefgreifend ändern. Das ist ein Anspruch und eine Chance. Mit der Notwendigkeit, eine umweltfreundliche Wirtschaft zu erfinden, stehen wir vor einer neuen industriellen Revolution, nämlich der Revolution der nachhaltigen Entwicklung. Sie wird Wachstum und Beschäftigung bringen, und Frankreich hat alle Trümpfe in der Hand, um dabei zu gewinnen.

Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger,

ja, wir können stolz darauf sein, dass wir Franzosen sind! Setzen wir unsere Anstrengungen zur Modernisierung fort. Versuchen wir nicht, zu imitieren. Seien wir wir selbst. Im nächsten Frühjahr liegen entscheidende Wahlen vor Ihnen. Verleihen Sie Ihrer Überzeugung lebhaft Ausdruck. Sie sind das souveräne Volk. Frankreich braucht jede und jeden von Ihnen. Es zählt auf Sie.

Es lebe die Republik! Es lebe Frankreich! .





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