Staatspraesident Jacques Chirac bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit US-Praesident George W. Bush anlaesslich ihres bilateralen gespraechs.

Staatspraesident Jacques CHIRAC bei der gemeinsamen pressekonferenz mit US-Praesident George W. Bush anlaesslich ihres bilateralen gespraechs

Bruessel, 21. Februar 2005


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Für mich ist es eine große Freude, Präsident Bush wieder zu treffen und ich möchte ihm für seinen Empfang danken. Unsere Beziehung war immer äußerst herzlich, was an der Tatsache liegt, dass unsere bilateralen und die transatlantischen Beziehungen ausgezeichnet sind. Wir setzen uns seit zwei Jahrhunderten für die selben Werte ein; Werte, an denen nicht nur uns gelegen ist, sondern auch unseren Völkern.

Wir sind in allen Krisengebieten vertreten, ob es sich um Afghanistan, die Balkanstaaten, um Haiti, Afrika oder um unsere Zusammenarbeit zum Zeitpunkt des Tsunami handelt. Ich möchte den amerikanischen Soldaten meine Anerkennung für die Hilfe aussprechen, die sie dank ihres Hubschraubereinsatzes in den Tsunamigebieten Asiens insbesondere den französischen Soldaten geleistet haben.

Wir haben die selben Überzeugungen, was den Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen oder gegen den Terrorismus betrifft. Heute haben wir die selbe Herangehensweise an die Situation im Libanon - an diese Krise, die durch die Ermordung des Menschen ausgelöst wurde, der im Libanon Demokratie, Freiheit und Unabhängigkeit verkörperte.

Glücklicherweise ist unser Dialog ein positiver und ich freue mich, ihn heute in Brüssel im Rahmen eines erweiterten Dialogs zwischen der Europäischen Union und den USA fortführen zu dürfen.

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Unsere Beziehungen sind seit über zwei Jahrhunderten gut und beruhen auf gemeinsamen Werten. Sie haben sich nicht von heute auf morgen verändert. Gute Beziehungen zu haben, heißt aber nicht, dass man immer und unter allen Umständen in allem einverstanden sein muss. Man kann zu dem ein oder anderen Thema unterschiedliche Meinungen haben. Dies war vor kurzem zum Thema Irak der Fall. Wir stehen dazu.

Dies will aber nicht heißen, dass dadurch etwas Tiefgehendes in unserer Beziehung verändert wurde, also das Einverständnis über gemeinsame Werte und über eine gemeinsame Sicht der Dinge. Ich sage es noch einmal, ich freue mich, dass heute und morgen auf der Ebene der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten diese gemeinsame Ansicht und dieses gemeinsame Handeln sicherlich noch weiterentwickelt und gestärkt werden.

Zum Stabilitätspakt: Ich möchte nicht in die technischen Details einsteigen, was diese Frage anbelangt. Zunächst einmal sind wir der absolut gleichen Meinung und haben die gleiche Haltung zum Stabilitätspakt. Wir sind gegen einen Automatismus. Da es sich auch um einen Wachstumspakt handelt, müssen verschiedene Angaben berücksichtigt werden, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Die Situation ist nicht die gleiche, wenn wir ein starkes Wachstum haben oder aber eine Stagnation eingetreten ist. Dies muss natürlich auch berücksichtigt werden. Jedes Land hat besondere Eigenschaften. Ich denke hier z. B. an die Bedeutung und die Kosten der Entwicklung der neuen Bundesländer für Deutschland. Das ist eine besondere Last, die auch mit in die Gesamtgleichung einfließen muss, wenn man will, dass sie wirtschaftlich gerechtfertigt ist, genauso wie die Bedeutung des deutschen Überschusses bei den Zahlungen für Europa.

So hat jeder seine Eigenschaften, die nicht genau gleich gewichtet werden können. Es gibt verschiedene Arten von Ausgaben. Es gibt Leute, die unheimlich viel Geld für laufende Kosten, für Betriebskosten, ausgeben. Andere gehen die Sache etwas seriöser an. Und es gibt Investitionskosten, die den Reichtum von morgen ermöglichen, z. B. für Investitionen in Forschung. Sollte man der Einfachheit halber den Betriebskosten die Priorität geben, oder muss man berücksichtigen, dass es Länder gibt, die besondere Anstrengungen für die Zukunft - Investitionen in die Forschung - unternehmen?

Es gibt auch Ausgaben, die für das Gemeinwohl Europas vorgesehen sind, z. B. Ausgaben für die Verteidigung oder die öffentlichen Gelder, die in die Entwicklung fließen, was für ganz Europa wichtig ist. Kann man der Ansicht sein, dass diejenigen, die in diesem Bereich hohe Ausgaben haben, schlechter als die anderen behandelt werden, die nicht den gleichen Beitrag für die Sicherheit Europas leisten? Es darf also keinen Automatismus geben. Es muss die Möglichkeit geben, das Ganze zu gewichten.

Das heißt, die Umsetzung eines solchen Paktes kann nicht rein technokratisch erfolgen. Sie muss politisch angegangen werden. Das heißt, es muss eine gewisse Anzahl von Tatsachen wirtschaftlicher und humaner Natur einfließen. Natürlich geht es überhaupt nicht darum, in irgendeiner Weise Nachlässigkeit zu akzeptieren. Wenn man eine gemeinsame Währung verteidigt, so muss man die Regeln auch akzeptieren und strikt umsetzen. Aber die Nachlässigkeit ist eine Sache und technokratische Sturheit eine andere. Es gilt also, den richtigen Weg zu finden, wenn man die Politik in diesem Bereich definieren möchte. Hier sind wir uns mit dem Bundeskanzler völlig einig.

Zu Libanon: Ich möchte mich nicht in die inneren Angelegenheiten Libanons einmischen. Ich stelle nur fest, dass die internationale Völkergemeinschaft einstimmig der Meinung ist, dass Libanon in Zukunft frei und demokratisch handeln können muss. Dies setzt natürlich auch den Rückzug der ausländischen Kräfte voraus, insbesondere der Sicherheitsdienste, ich spiele auf die syrischen Sicherheitsdienste an.

Auf dieser Basis kann sich – wie ich hoffe - die Demokratie normal entwickeln. Natürlich ist nicht auszuschließen - ich habe mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, was Scheich Nasrallah gestern gesagt hat -, dass jeder seine Position kund tut. Ich habe keine Kritik an der Position der Hisbollah zu machen, vorausgesetzt, dass diese natürlich und demokratisch zum Ausdruck kommt, das heißt in einer friedlichen Art und Weise. Es darf keinen Anreiz zu Übergriffen bedeuten, die gegen die Demokratie gerichtet sind.

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Zum Austausch von Jugendlichen zwischen Deutschland und Frankreich: Beim nächsten deutsch-französischen Ministerrat, der am 26. April in Paris stattfinden wird, sind verschiedene Aktionen zwischen Deutschland und Frankreich vorgesehen, um die Mobilität von Studenten, Forschern, Lehrern und Kunstschaffenden zu fördern. Mit anderen Worten möchte ich sagen: Das, was der Bundeskanzler vorgeschlagen hat, und dem schließen wir uns voll und ganz an, bedeutet, dass die Mobilität der Intelligenz gefördert wird. Das geht über die Studenten hinaus und wird anlässlich unseres nächsten deutsch-französischen Ministerrats ein sehr wichtiger Punkt sein.

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Zur deutschen Diplomatie: Ich bin wirklich sehr erstaunt, denn schon seit Jahren arbeiten wir zusammen, und ich stelle fest, dass der deutsche Bundeskanzler der deutschen Diplomatie wieder ihren ganzen Einfluss gegeben hat. Das ist sehr wichtig für Deutschland, aber auch für Europa und somit für Frankreich. Sei es die Präsenz Deutschlands bei Friedensmissionen in der Welt und die erstrangige Verantwortung Deutschlands bei Friedensmissionen z. B. in Afghanistan, aber auch auf dem Balkan, sei es das Vorgehen Deutschlands und der deutschen Diplomatie bei der Reform der Vereinten Nationen, sei es die Aktualisierung der transatlantischen Beziehungen, die der Bundeskanzler vor kurzem perfekt definiert hat und die gestärkt, modernisiert und angepasst werden müssen. Seien es die wichtigen internationalen Krisen, wie in Afrika, Irak, Iran oder der syrisch-libanesische Konflikt, mit dem nicht nur wir, sondern die Demokratie, der Rechtsstaat, die Achtung der Menschenrechte konfrontiert sind, die in Frage gestellt werden. Oder sei es die wirtschaftliche Präsenz Deutschlands auf den großen aufstrebenden Märkten, über die wir uns freuen, denn die Erfolge des Kanzlers auf den großen aufstrebenden Märkten in China und in den Golfstaaten, sind wesentlich für ganz Europa und für eine europäische Entwicklungsstrategie.

Sei es schließlich die Diplomatie des Bundeskanzlers für das europäische Aufbauwerk, mit der wir voll und ganz übereinstimmen, das heißt seine Rolle bei der Erarbeitung und Umsetzung der europäischen Verfassung, seine Rolle bei einer vernünftigen Prüfung des Stabilitätspaktes, nicht um die Sicherheit und Ernsthaftigkeit der Finanzverwaltung in Frage zu stellen, sondern um das Leben und seine Anforderungen in den Bereichen Wirtschaft und Soziales zu berücksichtigen. Sei es sein Wunsch nach einer flexibleren Wettbewerbspolitik in Europa, die der Entwicklung der europäischen Wirtschaft besser angepasst ist. Sei es, Europa seine ganze Kraft zu geben und seine Stärken herauszustreichen.

Zu all diesen Punkten sind wir uns einig. Ich möchte damit feststellen: Es gibt überhaupt keinen Grund, aus dem wir unterschiedlicher Meinung sein könnten.

Sollten wir dennoch einmal unterschiedliche Meinungen haben, dann regeln wir das immer wieder so, dass unsere Beziehungen ein starkes, kohärentes, zusammenhängendes System sind, das in der Lage ist, Impulse zu geben.

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