Das Siegel

Illustration : Constitution de 1958Im Mittelalter und unter dem Ancien Regime wurde das Siegel von verschiedenen zivilen oder religiösen Würdenträgern und vom König selbst als Erkennungszeichen und Ausdruck von Amtsgewalt benutzt. Heute wird das Siegel nur noch bei feierlichen Anlässen, wie der Unterzeichnung der Verfassung und gegebenenfalls ihrer Änderung benutzt. Das gegenwärtige Siegel der Französischen Republik ist dasjenige der II. Republik, das im Jahre 1848 geprägt worden war.

Illustration : Présentation des sceaux de la République à la Chancellerie.Unter dem Ancien Regime war der Kanzler, der Großoffizier der Krone war und in der Rangfolge den zweiten Platz nach dem Konnetabel, das heißt dem obersten Heerführer, innehatte, ein wichtiger Amtsträger. Er war unabsetzbar und trug beim Tode des Königs nicht Trauer, während das Siegel des Verstorbenen einem Ritual entsprechend zerbrochen wurde. Er war für die materielle Aufbewahrung der Siegelmatrizen zuständig und leitete die Besiegelung der Urkunden, an der sich zahlreiche Bedienstete beteiligten.

Illustration : Michel Debré scellant la Constitution de la Ve République le 6 octobre 1958.Der Kanzler bezog 1718 ein Palais an der Place Vendôme in Paris, in dem auch heute noch der Justizminister, Siegelbewahrer, seinen Amtssitz hat.
Während der Revolution wurde das goldene Siegel Ludwigs XVI. eingeschmolzen, um das Metall verwerten zu können. Ein Dekret von 1792 legte zum ersten Mal die Ausgestaltung des neuen Siegels der Republik fest: eine stehende Frau hält in einer Hand eine Pike, über die eine Mütze in Form einer Rüsche gestülpt ist, und in der anderen ein Rutenbündel.

Illustration : Presse à scellerNapoleon wählte ein Siegel, auf dem die typischen Merkmale des Empire, wie die Bienen und die Kaiserkrone, abgebildet waren.

Die Könige Ludwig XVIII. und Karl X. übernahmen eine Ikonographie mit Lilien, die an das Ancien Regime erinnerte. Die Trikolore wurde zum ersten Mal von Louis Philippe verwandt, der sie neben das Wappen des Hauses Orléans auf das Siegel prägen ließ.

Illustration : Presse ayant servi à sceller la Constitution de la Ve RépubliqueDurch einen Erlaß vom 8. September 1848 wurde die Gestaltung des Siegels der II. Republik festgelegt, das auch heute noch benutzt wird. Der Münzmeister Jean-Jacques Barré fertigte das neue Staatssiegel an, wobei er sich allerdings nicht an alle Vorgaben des Erlasses hielt, insbesondere was die Anordnung der Aufschriften anbetraf. Eine sitzende Frau, Symbol der Freiheit, hält in der rechten Hand ein Rutenbündel und in der linken ein Steuerruder, auf dem ein gallischer Hahn mit einem Bein auf einer Erdkugel abgebildet ist. Eine Urne mit den Initialen SU, die für "suffrage universel" (allgemeines Wahlrecht) stehen, erinnert an das bedeutende Ereignis, das die Einführung der allgemeinen, direkten Wahlen im Jahre 1848 darstellte. Zu den Füßen der Freiheit sind Embleme der schönen Künste und der Landwirtschaft abgebildet.

Auf der Oberseite des Siegels ist die Aufschrift "Einige und unteilbare demokratische französische Republik" und auf der Rückseite die beiden Formeln "Im Namen des französischen Volkes" und "Gleichheit, Brüderlichkeit, Freiheit" eingraviert.

Im Erlaß von 1848 wurde ebenfalls bestimmt, welche Art von Siegeln oder Stempeln die Gerichte und Notare gewöhnlich zu benutzen hatten.

Die III., IV. und V. Republik übernahmen das gleiche Siegel. Unter der IV. Republik wurde, wie es scheint, lediglich die Verfassung besiegelt. Seit 1958 sind die Verfassung und bestimmte Verfassungsgesetze, die sie abändern, feierlich mit einem mittels eines trikoloren Bandes aus Seide angehängten Siegel aus gelbem Wachs versehen worden.

Die Presse, mit der das Siegel angebracht wird, ist im Büro des Justizministers aufbewahrt, der auch heute noch den Titel "Siegelbewahrer" führt.