Ansprache von Staadpraesident beim ehrenempfang des komitees zur erinnerung andie sklaverei - Auszuege-

Ansprache von Staadpraesident Jacques CHIRAC beim ehrenempfang des komitees zur erinnerung andie sklaverei - Auszuege-

Paris, 30. Januar 2006

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Es gereicht der Ersten Republik zur Ehre, dass sie die Sklaverei in den französischen Kolonien 1794 abgeschafft hat. 1802 durch das Konsulat wieder eingeführt, wurde sie in der Zweiten Republik, am 27. April 1848, auf Initiative von Victor Schoelcher endgültig abschafft.

Wir können mit Stolz feststellen, dass die Republik von Anfang an mit der Sklaverei unvereinbar war. An diese geschichtliche Tradition knüpfte das Parlament an, als es Frankreich 2001 zum ersten Land weltweit machte, das die Sklaverei in einem Gesetz als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verankerte.

Die Abschaffung der Sklaverei 1848 ist ein entscheidender Augenblick in unserer Geschichte. Einer der Augenblicke, die das Bild, das wir uns von unserem Land machen, als Land der Menschenrechte prägen.

Aber über die Abschaffung hinaus muss heute die Erinnerung an die Sklaverei, die lange Zeit verdrängt wurde, Teil unserer Geschichte sein: ein wirklich gemeinsames Gedenken.

Diese Gedächtnisarbeit müssen wir leisten, um allen Opfern dieses schrecklichen Menschenhandels zu gedenken, um ihnen ihre Würde wiederzugeben und um das anzuerkennen, was die Sklaven und deren Nachkommen unserem Land gegeben haben, und das ist nicht wenig. (···)

Es macht die Größe eines Landes aus, Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung für seine Geschichte mit ihren ruhmreichen Seiten, aber auch mit ihren Schattenseiten. Unsere Geschichte ist die einer großen Nation. Blicken wir mit Stolz auf sie. Sehen wir sie so, wie sie ist. Auf diese Weise wächst ein Volk zusammen, vereint sich und wird stärker. Von der Erinnerung eines Landes abhängig sind die Einheit und der nationale Zusammenhalt, die Liebe zu seinem Land und das Vertrauen in das, was man ist.

Deswegen will ich, dass Frankreich ab diesem Jahr den Sklaven und der Abschaffung der Sklaverei gedenkt. Der Gedenktag (...) soll auf den 10. Mai fallen, den Jahrestag der einstimmigen Verabschiedung des Gesetzes über die Anerkennung des Sklavenhandels und der Sklavenhaltung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Kein Datum wird von allen Seiten Zustimmung finden. Aber wichtig ist in erster Linie, dass es diesen Tag gibt. Er wird nicht die Gedenktage in den Überseedepartements ersetzen. Ab dem 10. Mai dieses Jahres werden an den Gedenkstätten für Menschenhandel und Sklaverei auf dem französischen Festland, in den Überseegebieten und, wie ich hoffe, auch in Afrika Gedenkfeiern organisiert.

Über das Gedenken hinaus muss die Sklaverei in den Lehrplänen der Grund- und weiterführenden Schulen einen angemessenen Platz erhalten. Ferner müssen Darstellungen, Gegenstände und Dokumente in Zusammenhang mit Menschenhandel und Sklaverei, die ein Kulturerbe außergewöhnlichen Reichtums darstellen, erhalten, ausgewertet und in Museen der Öffentlichkeit gezeigt werden.

Wir müssen diese Tragödie auch wissenschaftlich aufarbeiten. Auch wenn dies in keiner Weise die Verantwortung der europäischen Länder schmälert, so verlangte ein solcher Menschenhandel doch eine Organisation und aktive Netzwerke in den Herkunftsländern der Sklaven oder in den Nachbarländern. Sklaverei gab es vor dem Menschenhandel und auch danach. Wenn wir unser Wissen erweitern, können wir die Wahrheit herausfinden und unnötige Polemiken vermeiden. Zu diesem Zweck soll ein Forschungszentrum entstehen.

Und natürlich muss das Gedenken an die Sklaverei an einem Ort Ausdruck finden, der für alle Forscher und für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Ich beauftrage einen der größten zeitgenössischen Schriftsteller, Edouard Glissant, mit der Leitung eines Planungsstabs für ein Nationales Zentrum zum Gedenken an den Menschenhandel, die Sklaverei und deren Abschaffung. (···)

Schließlich ist die Bekämpfung der Unterwerfung ein aktueller Kampf. Es ist ein Kampf Frankreichs und der Frankophonie. Zwangsarbeit existiert heute in der einen oder anderen Form auf fast allen Kontinenten. Angaben der Vereinten Nationen zu Folge sind fast 20 Millionen Menschen Opfer von Zwangsarbeit. Wie kann man zulassen, dass es zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf der Welt Familien gibt, die Generation für Generation in der Knechtschaft ihrer Schulden leben? Dass so viele Kinder arbeiten müssen, oft unter unzumutbaren Bedingungen? Dass so viele Mädchen von ihren Familien als unbezahlte Dienstmädchen oder in die Prostitution verkauft werden?

Es hat Fortschritte gegeben. Aber es bleibt noch viel zu tun. Frankreich muss in diesem Kampf für die Menschenrechte an vorderster Front stehen und tut dies auch. Um gegen das Fortbestehen von Sklaverei, aber auch gegen ihr Wiederauftreten in Zusammenhang mit dem internationalen wirtschaftlichen Wettbewerb vorzugehen, muss die Zusammenarbeit zwischen den Ländern des Nordens und des Südens verstärkt werden. Das Wachstum muss den sozialen Fortschritt beschleunigen, nicht bremsen. Die betreffenden internationalen Organisationen müssen stärker einbezogen werden, insbesondere die Internationale Organisation für Arbeit und die Welthandelsorganisation. Das internationale Handelsrecht darf die grundlegenden Prinzipien der Menschenrechte nicht übergehen.

Nicht zuletzt müssen wir darauf achten, dass die westlichen Unternehmen, wenn sie in armen Ländern oder in Schwellenländern investieren, die Grundsätze des Arbeitsrechtes achten, wie sie im Völkerrecht festgeschrieben sind. Deswegen möchte ich eine europäische und eine internationale Initiative vorschlagen: Betriebe, die wissentlich Zwangsarbeit in Kauf nehmen, müssen von den nationalen Gerichten belangt werden können, auch für im Ausland begangene Taten.

Meine Damen und Herren, Sklaverei und Menschenhandel sind für die Menschheit ein unauslöschlicher Makel. Die Republik kann stolz darauf sein, diese Schandtat besiegt zu haben. Mit dem Gedenken an unsere Geschichte zeichnet Frankreich den Weg vor. Das ist die Ehre, die Größe und die Stärke unseres Landes.





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